Die Ausstellung vereint kontrastiv Kunstwerke, die den Prozess des Verstehens auf buchstäbliche oder metaphorische Weise reflektieren. Bei buchstäblicher Kunst entsteht häufig ein besonderer Witz durch den Kontrast zwischen ästhetischer Einfachheit und konzeptueller Schärfe. Die inhaltliche Tiefe muss allein durch eine Decodierung relevanter Parameter wie Material, Kontext oder Titel offengelegt werden.
Metaphorische Kunst dagegen hat eher einen Hang zur inhaltlichen Aufladung, zum Überlagern und Verknoten. Der Verstehensprozess muss hier durch eine „Entwirrung“ von Inhalt und ästhetischer Repräsentation erreicht werden. Dieses Wechselspiel zwischen Wahrnehmung und Interpretation bildet das Hauptpotenzial buchstäblicher wie auch metaphorischer Kunst.
Mit dieser theoretisch und visuell anspruchsvollen Thematik gliedert
sich die Ausstellung in Institute. Das erste Institut ist die
BIBLIOTHEK, die sich speziell auf das Verhältnis von Wort und Bild
konzentriert, Institut II der KUNSTRAUM, der sich mit Metaphorik in
Bildender Kunst und Gesellschaft beschäftigt, Institut III ist der
ZOO, wo der Gebrauch bildlicher und sprachlicher Symbole in Natur
und Kultur untersucht wird und Institut IV ist der SHOP, der sich
buchstäblich auf das Produkt Buch und die damit verbundenen
Vermarktungsstrategien konzentriert.
Konzept: | Elmar Hermann |
KuratorInnen: | Elmar Hermann, Constanze Müller (D21) |
Mitarbeit: |
Anne Cathrine Mosbach, Johanna Trinkerl, Dr. Frank Liedtke, Emanuel Matthias |
Gestaltung: | neospektiv |
Kooperationspartner: |
ASPN Galerie, Max-Planck -Institut für evolutionäre Anthropologie, Galerie Jochen Hempel, Galerie Kleindienst, Institut für Germanistik der Universität Leipzig, Jörg Kowalski, ROTORBOOKS, Galerie Michael Janssen, Aquazoo Löbbecke Museum, Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, Adolf Kerkhoff, Phillip Schulze, Konditorei Heinemann |
In Düsseldorf startet das Projekt im Frühjahr mit einem Konzert im Aquazoo in Kooperation mit Studierenden der Robert Schumann Musikhochschule. Mit Verzögerung durch die Corona Pandemie findet im Herbst die Ausstellung an zwei Orten in Düsseldorf Flingern statt: dem Buchladen Papier und Gelb und dem Kunstraum Institute for Artistic Research. Die verschiedenen Institute werden hier durch unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der Ausstellung repräsentiert: Sprache, Bild, Forschung & Buch.
Claudia und Isabelle Barth, Meg Cranston, Guillermo Deisler, exc, FAMED, Katharina Fritsch, Elmar Hermann, Tarik Kentouche, Dieter Kiessling, Estefanía Landesmann, Walter Libuda, Petra Maitz, Emanuel Mathias, Methlife, Josef Pallenberg, Anna Schimkat & Michael Barthel, Tilo Schulz, Markus Vater
Claudia Barth (* 1987, Zürich), Isabelle Barth (* 1983, Brüssel/Mannheim)
Eu nao falo portugues - Ich spreche kein portugiesisch
2020, full HD, 16:9, two-channel presented as one split screen
video, 41'4'', stereo
Seit 2017 sind die beiden Schwestern, Claudia und Isabelle
Barth, auf den Spuren ihrer Grossmutter unterwegs. Die
Recherchen brachten die beiden Schwestern im Sommer 2018 für
einen Monat nach Brasilien, wo sie die Musikerin Dandara kennen
lernten, mit der sie in einen künstlerischen Austausch traten.
Zusammen begannen sie ein Video Script mit dem Namen Eu não
falo português zu schreiben. Der Text wuchs zu einem imaginären
Roadmovie heran, der den Spuren ihrer Reise im Stil eines stream
of consciousness oder eines Gedichtflusses folgt.
Nach der
Präsentation des Scripts als performatives reading im
Maxim-Theater in Zürich, im Zeitraumexit in Mannheim und in der
Galerie D21 in Leipzig haben Claudia und Isabelle den Script
Text und die Choreographie für eine Zweikanal-Video adaptiert.
Diese weitere Version von Eu não falo português wird in einem
Screening in Düsseldorf zu sehen sein.
* 1960, Los Angeles
„Object Set to Roll“ Ballon und Seil, Durchmesser: 2,00 m,
2019
Die kalifornische Künstlerin Meg Cranston stellt seit 20 Jahren
international aus und erhielt zahlreiche Stipendien und Preise.
In ihren Skulpturen, Performances, Malereien und Installationen
kombiniert sie häufig Texte und Bilder der Populärkultur. Der
Ballon im D21 hat ungefähr die Größe eines Besuchers und darf
durch den Raum bewegt werden. Die Arbeit reiht sich ein in eine
Werkgruppe, in der sich Cranston mit Maßstäben und damit
verbundenen Hierarchien beschäftigt. Ein weiteres Beispiel ist
die Arbeit „The Complete Works of Jane Austen“ (1991), die aus
einer raumfüllenden Skulptur mit einem Durchmesser von etwa 5
Metern besteht. Hier spielt die Künstlerin geschickt mit der
Verwirrung unterschiedlicher Bedeutungsebenen. Der Titel
bezeichnet buchstäblich das, was ausgestellt ist: Die Luft, die
man braucht, um das Gesamtwerk der Schriftstellerin Jane Austen
vorzulesen. Meg Cranston berechnet das Volumen und packt es in
einen überdimensionalen Ballon. Größe wird hier einerseits im
Sinne von Umfang (des Gesamtwerks) verstanden und andererseits
in Bezug auf die historische Relevanz der Autorin Jane Austen.
Schließlich stehen beide Assoziationen in Relation zur puren
physischen Größe der Skulptur. Auch die kleinere Arbeit „Object
Set to Roll“ vermittelt eine absurde Körperlichkeit, die sich
hier allerdings komplett auf den Besucher im Ausstellungsraum
bezieht. Der Titel lädt ein zur Teilnahme und macht gleichzeitig
die Grenzen dieser Aktion deutlich. Ein echter Rundgang mit der
Arbeit durch die Ausstellung scheitert bereits am Türrahmen.
* 1940-1995, Santiago de Chile
Künstlerbücher, Mail-Art
Der 1995 verstorbene Chilene, der viele Jahre in der ehemaligen
DDR gewirkt und gearbeitet hat, war Bühnenbildner, Bildender
Künstler und Autor. Seine Arbeiten verbinden Wort und Bild,
sprachliche und bildliche Bedeutung. Dabei war ihm vor allem das
Künstlerbuch ein Medium zur Kommunikation mit Anderen, als Teil
eines internationalen Netzwerkes, das die Grenzen einer beengten
DDR überwinden konnte. Die von ihm am meisten benutzten
Techniken waren der Holzschnitt und die Collage. Mit diesen
Mitteln entstand eine visuelle Poesie, in der die Textelemente
davon entbunden waren, bloße Schriftsprache zur Übermittlung von
Inhalten zu sein. Deislers künstlerischer Umgang mit
sprachlichen Zeichen wurde durch seine Erfahrungen im Exil
verstärkt, da er sich während der Stationen seines Exils er sich
mehrmals auf eine ihm fremde Sprache einlassen musste. “Daß die
Sprachen untereinander ausschließlich ein Element der Spaltung
sind, nicht aber ein internationaler Kodex von Zeichen, die der
Verständigung dienen”, löste in ihm eine Suche nach einem
“Zeichensystem (aus), das jenseits der Sprache existiert und mit
dem ein Gedanke, eine Botschaft zu verstehen und mitzuteilen
ist”. In der Ausstellung werden verschiedene Künstlerbücher der
Mail-Art gezeigt, in der visuelle Poesie - von der Kunst aus
gedacht – als Medium galt. In Staaten mit begrenzten Freiheiten
und künstlerischen Produktionsmitteln waren so weitere Ebenen
der Verständigung und des Ausdrucks möglich.
Gegründet 2011
"excavation"
exc ist ein Zusammenschluss aus Künstlern, Gestaltern und
Musikern, die seit 2011 als "impersonal figure for ephemeral
monumentalism, iconic dynamism and critical ornaments" gemeinsam
arbeiten. Die Gruppe entwickelt ihre Projekte stets mit dem -
oder durch das - Künstlerbuch. Seit zwei Jahren betreibt exc den
Showroom "Papier und Gelb" in einem Hinterhof in Düsseldorf.
Dort kuratiert exc regelmäßig Präsentationen von Künstlerbüchern
und Konzerte elektronischer Musik. Für "buchstäblich" erarbeiten
exc eine umfangreiche Sound Video Arbeit, die in Kooperation mit
vielen beteiligten Künstlern, Musikern und Literaten entsteht.
Beim zweiten Teil von "buchstäblich" präsentiert exc die acht
Künstlerbücher, auf denen "excavation" basiert, zusammen mit der
Schallplatte des Soundtracks, in einer exklusiven Edition.
Darüberhinaus wird der Dummy des finalen "excavation"-Buchs
gezeigt, welches als Essenz der acht persönlich verantworteten
Aussagen, einer unpersönlichen Figur das Sprechen erlaubt.
UNSAID, Neon, 2010
Die Künstlergruppe Famed arbeitet seit 2003 in den Bereichen
Installation, Performance und New Media. Ihre Arbeiten setzen
sich meist mit politischen Themen auseinander, die sie durch
eine Verbindung von Materialien, erstellten oder gefundenen
Dingen und Raumbezügen bearbeiten. Sprache und die
Bedeutungserweiterung durch die Kombination von Bild und Text
sind eine oft gebrauchte Strategie ihres künstlerischen
Schaffens.
Ihre Arbeit UNSAID gliedert sich ein in die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten, die deshalb buchstäblich scheinen, weil der Titel genau das sagt, was das Kunstwerk darstellt. Und verfährt ihre Arbeit genau entgegengesetzt. Dieser Widerspruch zwischen Sagen und Nicht-Sagen markiert die besondere Stellung, die diese Arbeit im Kontext der gesamten Präsentation einnimmt.
* 1956, Düsseldorf
„Hahn“, Inkjetprint, 84,1 x 112,1 cm, 2013/2019
Die Skulpturen und Rauminstallationen von Katharina Fritsch sind
oberflächlich betrachtet leicht verdaubare Kost. Häufig handelt
es sich um realistische Nachbildungen von Dingen, die man kennt,
und die optisch in Sekundenschnelle erfasst werden können.
Unbehagen bereitet oft die Größe oder das besondere Arrangement
der Arbeiten. Ein Paradebeispiel dafür ist die Arbeit „cock“,
die Katharina Fritsch 2013 für einen freien Sockel auf dem
Trafalgar Square in London entworfen hat. Die Großplastik mit
einer Höhe von fast 5 Metern stand bis 2015 dort, im Anschluss
wanderte sie in die National Gallery of Art in Washington DC.
An beiden Orten entfaltet die Arbeit ihr volles Potenzial im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Kontext. Zunächst bezeichnet der Titel genau das, was dargestellt ist, einen überdimensional vergrößerten Hahn, der in London zwischen historischen Reiterstandbildern platziert wurde. Zum anderen bezeichnet ,cock’ aber auch auf vulgäre Weise das männliche Geschlecht, und so ist die Arbeit auch eine Anspielung auf Männlichkeit im Allgemeinen. Der Hahn zeigt, dass sich die Begriffe ,buchstäblich’ und ,metaphorisch’ immer auf den jeweiligen Interpretationsprozess beziehen. Sowohl in London als auch in Washington ist „cock“ in einem Umfeld angesiedelt, das von männlichen Machstrukturen geprägt ist. In der Ausstellung im D21 wird eine Fotografie von der Originalplastik an ihrem temporären Standort in London gezeigt.
* 1978, Düsseldorf
„Verbal Behavior“ 2013/2020, Papiertüten, Holz, Siebdrucke
Die Arbeit bezieht sich auf die gleichnamige Untersuchung von Burrhus Frederic Skinner. Verbal Behavior erschien 1957 und ist eine theoretische Analyse des sprachlichen Verhaltens aus der naturwissenschaftlichen Sichtweise der Verhaltensanalyse. Die Arbeit zeigt auf einer großen beweglichen Wand vier Zitate, die in ihrer Einfachheit exemplarisch für diese Herangehensweise stehen. Per Siebdruckverfahren werden die kurzen Texte auf Papiertüten des bekannten Düsseldorfer Chocolatiers Heinemann übertragen. 2013 wurden vier unterschiedliche Drucke für eine Ausstellung im Kunstverein Düsseldorf entwickelt. Für die Ausstellung buchstäblich werden die Zitate in eine Ausstellungsarchitektur übertragen, zwei Halbkreise mit einem Radius von jeweils etwa 3 Meter werden mit Heineman Papiertüten verkleidet, die als bewegliche Ausstellungsarchitektur dienen. Die Arbeit manifestiert damit eine Haltung, die sich in künstlerischer Arbeit ausdrückt, indem sie Arbeiten anderer KünstlerInnen nach und nach darauf präsentiert und so ihren Willen zum Dialog anbietet.
* 1993 in Heidelberg, lebt in Braunschweig und Wien
Vitrinenmenschen Glasscheiben, Akteure 2019
Tarik Kentouches Skulpturen und Performances verbindet ein
grundsätzliches Interesse an physischer Präsenz. Objekt,
Betrachter und Umraum werden symbiotisch vereinnahmt und wirken
aufeinander ein. Gebogene Glasscheiben, Klemmen und Halterungen
stehen im Kontrast zu organischen Materialien, lebendig
erscheinenden Körpern und hautähnlichen Oberflächen. Jedes
Material, jedes Medium und jede individuelle Platzierung stellt
deren Versprechen, Erwartungen und politische Stellung in Frage.
Vitrinenmenschen ist eine Skulptur, in der Personen mit
Schlafbrillen und Bluetooth-Kopfhörern große, rechteckige
Glasplatten an ihre Körper pressen. Die daraus resultierende
kubische Form der Gestalt steht im Kontrast zum Körper des
Menschen hinter dem Glas. Wenn die Haut an das Glas gepresst
wird, wird die Form des Körpers an dieser Stelle flachgedrückt.
Glas und Körper verbinden sich. Der Abdruck gilt spätestens seit
Rosalind Krauss´ wegweisendem Text „Notes on the Index“ als
Paradebeispiel buchstäblicher Kunst. Die Vitrinenmenschen
erscheinen vor diesem Hintergrund als eine Verschmelzung
verschiedener künstlerischer Medien wie Performance, Skulptur
und Malerei.
* 1957, Düsseldorf
"Fallende Scheibe" Videotape, 0:45 min, 1986
"in front 1"
und "in front 2", 105 x 157 cm, Fotografien auf Alu-Dibond, 2017
Kiesslings Arbeiten sind das Ergebnis einer konzeptuellen
Arbeitsweise, die stark durch die Reflektion der eingesetzten
Medien geprägt ist. In seinen Fotografien, Videos und Skulpturen
nutzt er die Eigenschaft des jeweiligen Materials für minimale,
häufig zirkulär aufgebaute Untersuchungen. So sind die Video-
und Objektinstallationen Kiesslings weniger Anlass einer
ästhetischen Empfindung, sondern vielmehr Quellen der Irritation
von Wahrnehmung und Erwartung.
Ein älteres Video - mittlerweile schon ein Klassiker - zeigt eine weiße Scheibe, die auf einen schwarzen Untergrund fällt und zerspringt. Nach wenigen Sekunden fällt der Untergrund, eine schwarze Platte, auf einen grauen Untergrund und zerspringt ebenfalls. Der Titel „Fallende Scheibe“ ist nichts anderes als die sprachliche Beschreibung dieses Vorgangs. Buchstäblichkeit zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch Kiesslings Arbeiten. So auch die neuesten Fotografien, die den Künstler zeigen, wie er auf dem Boden liegend den Auslöser der Kamera betätigt. Der analytische Blick auf das Medium und die Simulation von Körper und Raum bilden Konstanten in Kiesslings gesamten Werk. Die Arbeiten veranschaulichen zudem, dass Reduktion und Buchstäblichkeit nicht zwangsläufig in Minimalismus resultieren, sondern zu überraschend unvorhersehbaren und visuell komplexen Ergebnissen führen.
* 1983 Buenos Aires
Fig. 7, Inkjet print auf Gipswand montiert, 33 x 50 x 2 cm, 2019
Fig. 2, Inkjet print auf Gipswand montiert, 33 x 110 cm,
2019
Fig. 6, Inkjet print auf Gipswand montiert, 96 x 140
x 2 cm, 2019
Estefanía Landesmann ist eine argentinische Künstlerin, die derzeit in Berlin lebt. Für die Ausstellung „buchstäblich“ arbeitet die Künstlerin mit Fotografien, die sie im letzten Jahr an verschiedenen Orten aufgenommen hat. Diese figures (im Sinne von Abbildungen) zeigen unbelebte, zeitlose Objekte und Situationen, Spuren, die auf Kultur und menschliches Leben verweisen. Es gibt allerdings keine Natürlichkeit in diesen Bildern. Sie zeigen eine vom Menschen konstruierte Realität, ihre Idee von Welt. Eine solche Differenzierung von Wirklichkeit und Künstlichkeit wird von der Künstlerin auf den architektonischen Raum ausgedehnt. Dabei wird der Kunstraum direkt in die Installation einbezogen. Die Fotografien werden zu Dingen, die sich buchstäblich in die vorhandene Architektur einbauen und so das Feld der Abbildung räumlich erweitern. Gezielt nutzt Estefania Landesmann hierfür Strukturen, die die Funktion des Galerieraumes kennzeichnen, etwa falsche Wände, die nur zu Präsentationszwecken eingezogen wurden. In diese Wände treten ihre Bilder ein und bilden sowohl formal als auch inhaltlich eine Einheit.
Bild und Wand versuchen vergeblich etwas anderes zu sein als das, was sie sind: Oberflächen, Strukturen, Repräsentationen. Unser Blick analysiert, katalogisiert und versteht diese Dinge automatisch anhand unserer Erfahrungen. Vorurteile und kulturelles Gepäck stehen im Vordergrund und bestimmen was wir sehen. Mit ihrer Arbeit analysiert Landesmann das Schauen als Erkenntnisprozess und schafft Wahrnehmungslücken, die den Betrachter dazu zwingen, seinen Umgang mit Begriffen wie „Dokumentation“, „Bild“ und „Realität“ neu zu sortieren.
* 1950, Berlin
„Die Frucht“, Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, 2020
Walter Libudas umfangreiches Werk ist nicht leicht zu fassen. Zum einen, weil es von beinahe beispielloser Vielgestaltigkeit ist: Bühne, Bildkasten, alles ist möglich. Vor allem aber ist er Maler und Zeichner. Was Libuda darstellt, verbleibt oft rätselhaft, ist weder abstrakt noch gegenständlich, weder konstruktiv noch realistisch. Aus den Oberflächen des Alltags entleiht er bestenfalls vage Muster, um sie seinen sehr speziellen Bildwelten einzuverleiben. Bildwelten, die ein Geheimnis bergen, das sich nicht universal erkennen, entschlüsseln oder mitteilen lässt. Auch die Bildtitel, die Libuda bewusst vergibt, helfen hier nicht weiter. In ihnen setzt sich das Verwirrspiel fort, das zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen, Hinterfragen und Amüsiertsein hin- und her schwankt.
Walter Libuda betreibt keine Malerei im überkommenen Sinn, Ziel ist nicht die Darstellung, sondern der Prozess des Umwandelns. Wie malt man einen Geruch, ein gelesenes Buch oder ein erlebtes Gespräch? Malerei wird hier zum intermedialen Produkt und der Künstler zum Konverter.
* 1962, lebt in Hamburg und Wien
Vivarium Vienna, Installation, 2018
3 female chiefs watching the books 2018
Papier, Styropor, Garn, Textil, Größen variable
Petra Maitz bewegt sich in ihren multimedialen Arbeiten an der
Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft. Die Installation
Vivarium Vienna bearbeitet die Historie naturwissenschaftlicher
Entdeckungen. Das Bewachen und Hüten von Büchern dient dabei als
Metapher für eine weibliche Sicht der Kulturgeschichte. Hätten
Frauen darüber entschieden, was aufgeschrieben und festgehalten
wird, dann sähe die Welt heute anders aus. Beide Installationen
verweisen auf eine historisch-kulturelle Ordnung, die wir
aufsprengen müssen, um einen anderen Blick auf die Gegenwart
richten zu können. Das Chaos gleicht einem Ansammeln von Fakten
und Themen, die ungeordnet zu versinken drohen.
Im Vordergrund steht dabei eine biographisch bedingte Rückschau auf die Wissenschaftsgeschichte in Österreich und Deutschland um die Jahrhundertwende und danach. Die Vertreibung der jüdischen Intelligenz der öst. Naturwissenschaften, die im frühen 20. Jahrhundert im Philosophiekontext diskutiert wurden, die Gründung der theoretischen Biologie und die Entwicklung der Medizin bilden die Grundsubstanz einer Recherche und deren Darstellung der Geschehnisse um 1938 in Wien.
* 1981, Leipzig
Zarges Box 1, aus der Arbeit: An den Rändern des Feldes, 2020,
Fotografie in Leuchtkasten, 75 x 35 x 15 cm
Installationsansicht: KV Leipzig, 2020, Foto
In Emanuel Mathias' künstlerischem Langzeitforschungsprojekt „An den Rändern des Feldes“ beschäftigt er sich mit dem Nähe-Distanzverhältnisses vom Beobachter zum Beobachteten, anhand des Freilandprimatologen, der im Feld das Kulturverhalten der Menschenaffen studiert und erforscht. Sein Interesse gilt es den/die Forscher*In selbst während seiner/ihrer Arbeit zu beobachten und die Beobachterkonstellation von Forscher*In und Primat um den eigenen Standpunkt zu erweitern. Das Konzept der Ähnlichkeit und die darüber hergestellte Nähe zum Gegenüber spielt in diesem Bezugsdreieck eine entscheidende Rolle. Anhand unterschiedlicher, künstlerischer Strategien werden die visuellen Aufzeichnungen aus dem Feld, auf die Anwesenheit des Forschers in seinem Material hin untersucht und interpretiert. Wie weit lässt sich das implizite Wissen wie auch das optisch Unbewusste (R.Krauss: 2011) dieser Forschung hierin freilegen und künstlerisch produktiv machen?
* 2018, Tokyo
Deathlife (Live Hörspiel)
Methlife ist das Pseudonym des Künstlers Philipp Höning (geb
1986 in Dortmund). Methlife stellte bis 2019 ausschließlich
Gebrauchsmusik für Dokumentarfilme (Bear Mode) und Thriller
(Drew Cumming Todesursache und Anechoict Interiors) - her. Die
Grundstruktur seiner Arbeiten wird durch Trilogien vorgegeben.
Methlife veröffentlichte 2019 seine erste eigene Triple-Oper mit dme Namen „Healthweb Trilogy 1-3“ unter dem Label 5Dollar/Marginal Hollywood. In der Healthweb Trilogie begleiten wir das Wesen "Spite Instrument" über die drei Akte „Deathlife“, „Dreamstate“ und „Sunlight“. Instrument durchläuft in diesen drei Akten verschiedene Areale einer fleischfressenden Unterwelt, die ihn Stück für Stück in sich aufzulösen versucht. Geistlose Zeugen kommentieren das Geschehen. Bei dem Versuch, stufenweise höhere Formen der Erkenntnis über sein Dasein zu gewinnen, verstrickt es sich immer weiter in das grauenhafte Gesetz einer Falschen Welt wenige Zentimeter unter dem Erdboden.
Am 05. September um 21 Uhr wird das Stück von René Haustein gelesen, begleitet von Musik aus dem Healthweb-Zyklus.
* 1882 in Köln, † 1946 in Düsseldorf
Totenmaske des Orang-Utan "Wambo", 50x40x33cm, Gips, 1927
Josef Franz Pallenberg war ein deutscher Bildhauer, der vor
allem als Tierplastiker bekannt wurde. Pallenbergs
naturalistische Tierplastiken aus der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts bilden eine einzigartige Sammlung, die heute im
Löbbecke Museum Aquazoo und im Schloss Benrath untergebracht
sind. Entgegen der akademischen Lehrmeinung und auch gegen die
avantgardistischen Bemühungen, das Sujet „Tier“ am Beginn des
20. Jahrhunderts rein künstlerisch zu betrachten, widmete sich
Josef Pallenberg, einer anderen Herangehensweise an die Tiere.
Zoologisch fundiert, aber gerade durch die Erfahrung des
Zusammenlebens auf besondere Weise lebendig, sind seine
Tierplastiken im wahrsten Sinne des Wortes naturalistisch.
Pallenbergs Tiere sind Individuen, die der Künstler im
persönlichen Umgang, im tatsächlichen Zusammenleben erlebt und
studiert hat. Die Totenmaske des Orang-Utan "Wambo" ist dafür
ein beeindruckendes Zeugnis.
Anna Schimkat (* 1974, Darmstadt), Michael Barthel (* 1977, Ost-Berlin)
„A VOCHEL WO RED“, Installation und Konzert, 2017/2019
Die beiden Klangkünstler, Anna Schimkat und Michael Barthel
arbeiten seit 2016 als Duo zusammen. Schimkat, von der
Bildhauerei kommend, befasst sie sich aus diesem Grund vor allem
mit dem Raum. Dabei spielt für sie der Klang als nicht
entziehbare Wahrnehmung eine fundamental wichtige Rolle, da er
„mit dem Erleben, Empfinden und (Selbst-)Wahrnehmen des Körpers
und seiner Umgebung sowie dem Austausch zwischen den Menschen“
(A. Schimkat) verbunden ist. In ihren Arbeiten hinterfragt sie
den vorgefundenen Raum, entwickelt neue Wahrnehmungsräume und
konzentriert sich auf den darin befindlichen Klang. Ihr Material
ist der gefundene Ton der Dinge, während der umgebende Raum als
Inspiration dient, sich spielerisch forschend damit auseinander
zu setzen.
Michael Barthel, beginnt 1994 sich mit Experimenteller Musik anhand erster eigener Aufnahmen und Veröffentlichungen auf Kassette auseinanderzusetzen. In den folgenden Jahren widmet er sich immer stärker der Lautpoesie und der Lyrik. Seit 2010 ist die Stimme sein ausschließliches Instrument für Konzerte und Tonträger.
Die installative Arbeit „A VOCHEL WO RED“ beschäftigt sich mit der Tradition der Tierstimmenimitation. Sie konzentriert sich beispielhaft auf Vogelstimmen, da diese zur Bestimmung der einzelnen Arten wichtiger in der Tierbeobachtung gehandelt werden, als bei anderen Tieren. Der Wille des Menschen dieses Geflecht zu entschlüsseln und zu kartografieren wird ad absurdum geführt durch den Einsatz einer Texterkennungssoftware, die Klang in Schriftsprache übersetzt. So wurden aus Feldaufnahmen (Truthähne, Hühner, Möwen) Lautgedichte, die auf Schallplatten als Duett gesprochen und auf Sprachblättern geschrieben werden. Bei einer Live Aufführung in der Bibliothek Albertina greifen Barthel und Schimkat das akustische Gewebe der Naturgeräusche auf, versuchen in den sie enthaltenen riesigen Vorrat an Informationen einzudringen und abstrahieren auf ihre Weise mit Geräuschen, Stimmen und Flöten.
* 1972, Berlin
„Tied up and down, how to consider force a privilege“, Video, 2017
Tilo Schulz ist Künstler, Autor und Kurator. Häufiges Thema seiner künstlerischen Arbeiten ist die Beschäftigung mit Zwischenräumen, Grenzen und Zonen, wobei der Betrachter, d.h. der Prozess des Verstehens, im Vordergrund steht. Schulz arbeitet dabei oft mit räumlich realisierten Metaphern, die den Rezeptionsprozess seiner Arbeiten offenlegen.
In seinem Video„Tied up and down, how to consider force a privilege“ zeigt er ein Boot in einer kleinen Hafenstadt, das angebunden von den Wellen des Wassers bewegt wird. Die Langsamkeit dieses Prozesses verweist auf die Dynamik und die Bewegungen des Verstehens, der sich im Betrachten der Arbeit spiegelt.
* 1970, London
Zeichnungen für Primaten, 2019
Nach einer Einladung des Max Plank Instituts für evolutionäre
Anthropologie, dass am Leipziger Zoo forscht, entwickelte Markus
Vater die konkrete Idee einer Arbeit, mit der sich die Primaten
des Zoos auseinandersetzen konnten. Nach einigem Ausprobieren
entstanden eine Reihe von Zeichnungen mit Tinte aus Roter Beete
und Honig auf Papier. Die Zeichnungen , die den Primaten täglich
ins Gehege gegeben werden sollten, umfassten sechs Kategorien:
Zum ersten Zeichnungen von Menschen, die expressiv Furcht
zeigen, dann eine lautmalerische Aufzeichnung eines Interviews
mit dem Atlantischen Ozean, als drittes einige Abbildungen des
Mondes und Mathematische Formeln die eine Antwort darauf geben,
was Liebe ,Bewusstsein und Glück sind. Darüber hinaus gab es
Zeichnungen von menschlichen Händen und eine Reihe von einzelnen
Wörtern , wie “Zeit” , “habe” (durchgestrichen) , “bin” ,“Ich”,
“träume” und ”wo”.
Das STUDIO FOR ARTISTIC RESEARCH ist ein Ausstellungsprojekt, das die künstlerische Praxis des »Artistic Research« präsentiert und verhandelt. Innerhalb des diskursorientierten Ausstellungsprojekts werden KünstlerInnen eingeladen, die ihre Produktion als künstlerische Forschung verstehen oder in Beziehung setzen. Unterschiedliche Ansätze der künstlerischen Produktion werden auf ihre Methoden und Forschungscharakteristika untersucht und verglichen. Grundsätzliche Fragen an die künstlerische Forschung sollen genauso behandelt werden wie spezifische Fragestellungen der individuell gezeigten Arbeiten.
STUDIO FOR ARTISTIC RESEARCH
Ackerstraße 33
40233 Düsseldorf
www.studioforartisticresearch.com
Papier und Gelb ist ein Ort der Kontemplation und Ekstase. Die Akteur_innen definieren sie sich als anonymes, internationales Kollektiv aus Künstler_innen, Gestalter_innen und Musiker_innen. In einem Hinterhof im Düsseldorfer Stadtteil Flingern präsentiert Papier und Gelb seit 2018 Konzeptionen rund um das Thema Buch, elektronische Musik und Wahrnehmung. In ihrem Showroom können kuratierte Varianten des Künstler_innenbuchs vergleichend betrachtet werden.
Papier & Gelb
Birkenstraße 99
40233 Düsseldorf
Das Aquazoo Löbbecke Museum ist eine Einheit aus Zoo und Naturkundemuseum unter Trägerschaft der Stadt Düsseldorf. Es wurde im Jahr 1987 im Nordpark unter dem Namen Löbbecke-Museum + Aquazoo eröffnet. Auf einer Fläche von 6800 Quadratmetern werden in 25 Themenräumen rund 560 Tierarten in Aquarien, Terrarien und einer Tropenhalle ausgestellt. Die Ausstellung wird durch 1.400 naturkundliche Exponate, Modelle und interaktive Stationen komplettiert. Mit knapp 500.000 Besuchern pro Jahr ist das Aquazoo Löbbecke Museum seit vielen Jahren die bei weitem besucherstärkste Kultureinrichtung der Stadt Düsseldorf.
Aquazoo / Löbbecke Museum
Kaiserswerther Str. 380
40474 Düsseldorf
duesseldorf.de/aquazoo
04.9. 17 – 22 Uhr
Eröffnung
Studio for Artistic Research
05.9. 17 Uhr
Talk mit Tarik Kentouche, Estefanía Landesmann & Frank
Liedtke
Studio for Artistic Research
06.9. 20 Uhr
Methlife
Papier & Gelb
11.9. 20 Uhr
Screening mit Claudia Barth
Studio for Artistic Research
18.9. 20 Uhr
Screening mit Dieter Kiessling
Studio for Artistic Research
26.9. 17 Uhr
Lesung mit Jörg Kowalski,
Hearing von Anna Schimkat
& Michael Barthel
Papier & Gelb
02.10. 17 Uhr
Talk mit Petra Maitz, Emanuel Mathias & Noemi Smolik
Studio for Artistic Research
In Leipzig eröffnete die Ausstellung im Vorfeld der Leipziger Buchmesse mit einem Symposium in der Bibliothek Albertina. In Kooperation mit der Universität Leipzig wurde ein Programm mit wissenschaftlichen wie künstlerischen Beiträgen realisiert. Im Anschluss wurde die Ausstellung dann an verschiedenen Orten in der Stadt gezeigt, die auf eigene Art vier unterschiedliche Institute abbilden: Bibliothek, Zoo, Kunstraum & Shop.
Claudia Barth, Meg Cranston, Guillermo Deisler, exc, FAMED, Katharina Fritsch, Elmar Hermann, Estefanía Landesmann, Emanuel Mathias, Dieter Kiessling, Walter Libuda, Markus Vater, Anna Schimkat & Michael Barthel, Tilo Schulz
* 1987, Zürich
„Eu nao falo portugues“, Performance von Claudia Barth und
Isabelle Barth, mit Dandara Modesto, 2019
Claudia Barth (Bildende Kunst) und Isabelle Barth (Schauspiel)
arbeiten immer wieder an interdisziplinären Projekten zusammen.
In der Performance fanden sie eine gemeinsame Disziplin und mit
der Geschichte ihrer Großmutter einen gemeinsamen Inhalt. Seit
2017 sind sie auf den Spuren dieser Geschichte(n) unterwegs. Die
Recherchen brachten die beiden Schwestern im Sommer 2018 für
einen Monat nach Brasilien, wo sie die Musikerin Dandara kennen
lernten, mit der sie in einen künstlerischen Austausch traten
und eine Performance entwickelten.
„Eu nao falo portugues“ ist ein performatives Reading, das anlässlich der Tagung in der Albertina stattfindet. Zwei Performerinnen, Claudia Barth und Dandara Modesto, lesen ein imaginäres Skript für ein Roadmovie.
Dafür stöbern sie in staatlichen und privaten Archiven und entdecken im Verlauf ihrer persönlichen Rekonstruktion unterschiedliche Erzählperspektiven. Hinzu kommen sprachliche Differenzen, die Lücken und Missverständnisse, die sich dadurch ergeben und die Darstellung maßgeblich beeinflussen.
„Oh ocean! Oh palmtree!“, diverse Textilien, 2019
Als Relikte der Performance verbleiben einige Objekte von
Claudia Barth in der Ausstellung. Die Palme und viele andere
tropische Muster haben längst Einzug in unseren europäischen
Alltag gefunden. Wir alle kaufen exotische Pflanzen bei Ikea und
tragen die tropische Flora und Fauna auf unseren T-Shirts. Aus
Kleidungsstücken, die während der Performance getragen wurden,
sind mit Chavel Wasser Fragmente aus dem Screenplay
herausgeätzt. Die Sprache zerstört hier buchstäblich die
Illusion, die die tropischen Muster eigentlich evozieren wollen.
* 1960, Los Angeles
„Object Set to Roll“ Ballon und Seil, Durchmesser: 2,00 m,
2019
Die kalifornische Künstlerin Meg Cranston stellt seit 20 Jahren
international aus und erhielt zahlreiche Stipendien und Preise.
In ihren Skulpturen, Performances, Malereien und Installationen
kombiniert sie häufig Texte und Bilder der Populärkultur. Der
Ballon im D21 hat ungefähr die Größe eines Besuchers und darf
durch den Raum bewegt werden. Die Arbeit reiht sich ein in eine
Werkgruppe, in der sich Cranston mit Maßstäben und damit
verbundenen Hierarchien beschäftigt. Ein weiteres Beispiel ist
die Arbeit „The Complete Works of Jane Austen“ (1991), die aus
einer raumfüllenden Skulptur mit einem Durchmesser von etwa 5
Metern besteht. Hier spielt die Künstlerin geschickt mit der
Verwirrung unterschiedlicher Bedeutungsebenen. Der Titel
bezeichnet buchstäblich das, was ausgestellt ist: Die Luft, die
man braucht, um das Gesamtwerk der Schriftstellerin Jane Austen
vorzulesen. Meg Cranston berechnet das Volumen und packt es in
einen überdimensionalen Ballon. Größe wird hier einerseits im
Sinne von Umfang (des Gesamtwerks) verstanden und andererseits
in Bezug auf die historische Relevanz der Autorin Jane Austen.
Schließlich stehen beide Assoziationen in Relation zur puren
physischen Größe der Skulptur. Auch die kleinere Arbeit „Object
Set to Roll“ vermittelt eine absurde Körperlichkeit, die sich
hier allerdings komplett auf den Besucher im Ausstellungsraum
bezieht. Der Titel lädt ein zur Teilnahme und macht gleichzeitig
die Grenzen dieser Aktion deutlich. Ein echter Rundgang mit der
Arbeit durch die Ausstellung scheitert bereits am Türrahmen.
* 1940-1995, Santiago de Chile
Künstlerbücher, Mail-Art
Der 1995 verstorbene Chilene, der viele Jahre in der ehemaligen
DDR gewirkt und gearbeitet hat, war Bühnenbildner, Bildender
Künstler und Autor. Seine Arbeiten verbinden Wort und Bild,
sprachliche und bildliche Bedeutung. Dabei war ihm vor allem das
Künstlerbuch ein Medium zur Kommunikation mit Anderen, als Teil
eines internationalen Netzwerkes, das die Grenzen einer beengten
DDR überwinden konnte. Die von ihm am meisten benutzten
Techniken waren der Holzschnitt und die Collage. Mit diesen
Mitteln entstand eine visuelle Poesie, in der die Textelemente
davon entbunden waren, bloße Schriftsprache zur Übermittlung von
Inhalten zu sein. Deislers künstlerischer Umgang mit
sprachlichen Zeichen wurde durch seine Erfahrungen im Exil
verstärkt, da er sich während der Stationen seines Exils er sich
mehrmals auf eine ihm fremde Sprache einlassen musste. “Daß die
Sprachen untereinander ausschließlich ein Element der Spaltung
sind, nicht aber ein internationaler Kodex von Zeichen, die der
Verständigung dienen”, löste in ihm eine Suche nach einem
“Zeichensystem (aus), das jenseits der Sprache existiert und mit
dem ein Gedanke, eine Botschaft zu verstehen und mitzuteilen
ist”. In der Ausstellung werden verschiedene Künstlerbücher der
Mail-Art gezeigt, in der visuelle Poesie - von der Kunst aus
gedacht – als Medium galt. In Staaten mit begrenzten Freiheiten
und künstlerischen Produktionsmitteln waren so weitere Ebenen
der Verständigung und des Ausdrucks möglich.
Gegründet 2011
"excavation"
exc ist ein Zusammenschluss aus Künstlern, Gestaltern und
Musikern, die seit 2011 als "impersonal figure for ephemeral
monumentalism, iconic dynamism and critical ornaments" gemeinsam
arbeiten. Die Gruppe entwickelt ihre Projekte stets mit dem -
oder durch das - Künstlerbuch. Seit zwei Jahren betreibt exc den
Showroom "Papier und Gelb" in einem Hinterhof in Düsseldorf.
Dort kuratiert exc regelmäßig Präsentationen von Künstlerbüchern
und Konzerte elektronischer Musik. Für "buchstäblich" erarbeiten
exc eine umfangreiche Sound Video Arbeit, die in Kooperation mit
vielen beteiligten Künstlern, Musikern und Literaten entsteht.
Beim zweiten Teil von "buchstäblich" präsentiert exc die acht
Künstlerbücher, auf denen "excavation" basiert, zusammen mit der
Schallplatte des Soundtracks, in einer exklusiven Edition.
Darüberhinaus wird der Dummy des finalen "excavation"-Buchs
gezeigt, welches als Essenz der acht persönlich verantworteten
Aussagen, einer unpersönlichen Figur das Sprechen erlaubt.
UNSAID, Neon, 2010
Die Künstlergruppe Famed arbeitet seit 2003 in den Bereichen
Installation, Performance und New Media. Ihre Arbeiten setzen
sich meist mit politischen Themen auseinander, die sie durch
eine Verbindung von Materialien, erstellten oder gefundenen
Dingen und Raumbezügen bearbeiten. Sprache und die
Bedeutungserweiterung durch die Kombination von Bild und Text
sind eine oft gebrauchte Strategie ihres künstlerischen
Schaffens.
Ihre Arbeit UNSAID gliedert sich ein in die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten, die deshalb buchstäblich scheinen, weil der Titel genau das sagt, was das Kunstwerk darstellt. Und verfährt ihre Arbeit genau entgegengesetzt. Dieser Widerspruch zwischen Sagen und Nicht-Sagen markiert die besondere Stellung, die diese Arbeit im Kontext der gesamten Präsentation einnimmt.
* 1956, Düsseldorf
„Hahn“, Inkjetprint, 84,1 x 112,1 cm, 2013/2019
Die Skulpturen und Rauminstallationen von Katharina Fritsch sind
oberflächlich betrachtet leicht verdaubare Kost. Häufig handelt
es sich um realistische Nachbildungen von Dingen, die man kennt,
und die optisch in Sekundenschnelle erfasst werden können.
Unbehagen bereitet oft die Größe oder das besondere Arrangement
der Arbeiten. Ein Paradebeispiel dafür ist die Arbeit „cock“,
die Katharina Fritsch 2013 für einen freien Sockel auf dem
Trafalgar Square in London entworfen hat. Die Großplastik mit
einer Höhe von fast 5 Metern stand bis 2015 dort, im Anschluss
wanderte sie in die National Gallery of Art in Washington DC.
An beiden Orten entfaltet die Arbeit ihr volles Potenzial im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Kontext. Zunächst bezeichnet der Titel genau das, was dargestellt ist, einen überdimensional vergrößerten Hahn, der in London zwischen historischen Reiterstandbildern platziert wurde. Zum anderen bezeichnet ,cock’ aber auch auf vulgäre Weise das männliche Geschlecht, und so ist die Arbeit auch eine Anspielung auf Männlichkeit im Allgemeinen. Der Hahn zeigt, dass sich die Begriffe ,buchstäblich’ und ,metaphorisch’ immer auf den jeweiligen Interpretationsprozess beziehen. Sowohl in London als auch in Washington ist „cock“ in einem Umfeld angesiedelt, das von männlichen Machstrukturen geprägt ist. In der Ausstellung im D21 wird eine Fotografie von der Originalplastik an ihrem temporären Standort in London gezeigt.
* 1978, Düsseldorf
„Shining“, Holz, Lack, 40 x 42 x 20 cm, 2016/2019
Im Kunstraum D21 zeigt Elmar Hermann eine Skulptur, die
ebenfalls eine Dialogstruktur abbildet. „Negativraum“ – so wird
in der Kunst der Raum zwischen zwei Figuren genannt. Einen
solchen Negativraum entnimmt Hermann einem Standbild des
Horrorfilms „Shining“ von Stanley Kubrick (USA 1980): Es zeigt
einen Vater mit seinem kleinen Sohn, die Gesichter sind sich im
Profil zugewandt. Die Umwandlung dieses Zwischenraums in eine
neue – positive – Form verweist auf das Verlangen, das
Unfassbare begreifbar zu machen. Ein Interesse, das Kunst und
Sprache miteinander teilen.
* 1983 Buenos Aires
Fig. 7, Inkjet print auf Gipswand montiert, 33 x 50 x 2 cm, 2019
Fig. 2, Inkjet print auf Gipswand montiert, 33 x 110 cm,
2019
Fig. 6, Inkjet print auf Gipswand montiert, 96 x 140
x 2 cm, 2019
Estefanía Landesmann ist eine argentinische Künstlerin, die
derzeit in Berlin lebt. Für die Ausstellung im Kunstraum D21
arbeitet die Künstlerin mit Fotografien, die sie im letzten Jahr
an verschiedenen Orten aufgenommen hat. Diese figures (im Sinne
von Abbildungen) zeigen unbelebte, zeitlose Objekte und
Situationen, Spuren, die auf Kultur und menschliches Leben
verweisen. Es gibt allerdings keine Natürlichkeit in diesen
Bildern. Sie zeigen eine vom Menschen konstruierte Realität,
ihre Idee von Welt. Eine solche Differenzierung von Wirklichkeit
und Künstlichkeit wird von der Künstlerin auf den
architektonischen Raum ausgedehnt. Dabei wird der Kunstraum
direkt in die Installation einbezogen. Die Fotografien werden zu
Dingen, die sich buchstäblich in die vorhandene Architektur
einbauen und so das Feld der Abbildung räumlich erweitern.
Gezielt nutzt Estefanía Landesmann hierfür Strukturen, die die
Funktion des Galerieraumes kennzeichnen, etwa falsche Wände, die
nur zu Präsentationszwecken eingezogen wurden. In diese Wände
treten ihre Bilder ein und bilden sowohl formal als auch
inhaltlich eine Einheit.
Bild und Wand versuchen vergeblich etwas anderes zu sein als das, was sie sind: Oberflächen, Strukturen, Repräsentationen. Unser Blick analysiert, katalogisiert und versteht diese Dinge automatisch anhand unserer Erfahrungen. Vorurteile und kulturelles Gepäck stehen im Vordergrund und bestimmen was wir sehen. Mit ihrer Arbeit analysiert Landesmann das Schauen als Erkenntnisprozess und schafft Wahrnehmungslücken, die den Betrachter dazu zwingen, seinen Umgang mit Begriffen wie „Dokumentation“, „Bild“ und „Realität“ neu zu sortieren.
Elmar Hermann (* 1978, Düsseldorf), Emanuel Mathias (* 1981, Leipzig)
„Zzzz“, 2019, Fotodruckfolien auf Glasschreiben, 333 x 187
cm, 2019
Elmar Hermann und Emanuel Mathias sind Bildende Künstler,
die sich für das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst, bzw.
Sprache und Bild interessieren. In der Ausstellung realisieren
sie eine Kooperation, die sich mit einfachen Prinzipien
visueller Kommunikation beschäftigt. Dabei sind Fragen zur
Teilhabe des Forschungstiers in einem wissenschaftlichen Kontext
relevant. Der Leipziger Zoo beheimatet eins der größten
Primatenforschungszentern Europas, spezielle Forschungbereiche
bilden Kognition und Spracherwerb. Sowohl Schimpansen als auch
Menschen lassen sich vom Gähnen ihrer Artgenossen anstecken, ein
möglicher Beleg dafür, dass beide über Einfühlungsvermögen
verfügen.
Das Gähnen ist ein reflexartiges Instinktverhalten, das scheinbar alle Wirbeltiere kennzeichnet. Ursache und Zweck des Gähnens sind noch nicht eindeutig geklärt. Neben rein physiologischen Ursachen spielt ein kommunikativer Zweck eine wichtige Rolle. Im Kontext der Ausstellung werden großformatige Fotografien von gähnenden Menschen und Primaten an Fensterscheiben im Max Planck Institut / Zoo Leipzig angebracht.
* 1957, Düsseldorf
"Fallende Scheibe" Videotape, 0:45 min, 1986
"in front 1"
und "in front 2", 105 x 157 cm, Fotografien auf Alu-Dibond, 2017
Kiesslings Arbeiten sind das Ergebnis einer konzeptuellen
Arbeitsweise, die stark durch die Reflektion der eingesetzten
Medien geprägt ist. In seinen Fotografien, Videos und Skulpturen
nutzt er die Eigenschaft des jeweiligen Materials für minimale,
häufig zirkulär aufgebaute Untersuchungen. So sind die Video-
und Objektinstallationen Kiesslings weniger Anlass einer
ästhetischen Empfindung, sondern vielmehr Quellen der Irritation
von Wahrnehmung und Erwartung.
Ein älteres Video - mittlerweile schon ein Klassiker - zeigt eine weiße Scheibe, die auf einen schwarzen Untergrund fällt und zerspringt. Nach wenigen Sekunden fällt der Untergrund, eine schwarze Platte, auf einen grauen Untergrund und zerspringt ebenfalls. Der Titel „Fallende Scheibe“ ist nichts anderes als die sprachliche Beschreibung dieses Vorgangs. Buchstäblichkeit zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch Kiesslings Arbeiten. So auch die neuesten Fotografien, die den Künstler zeigen, wie er auf dem Boden liegend den Auslöser der Kamera betätigt. Der analytische Blick auf das Medium und die Simulation von Körper und Raum bilden Konstanten in Kiesslings gesamten Werk. Die Arbeiten veranschaulichen zudem, dass Reduktion und Buchstäblichkeit nicht zwangsläufig in Minimalismus resultieren, sondern zu überraschend unvorhersehbaren und visuell komplexen Ergebnissen führen.
* 1950, Berlin
„Die Frucht“, Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, 2015
Walter Libudas umfangreiches Werk ist nicht leicht zu fassen.
Zum einen, weil es von beinahe beispielloser Vielgestaltigkeit
ist: Bühne, Bildkasten, alles ist möglich. Vor allem aber ist er
Maler und Zeichner. Was Libuda darstellt, verbleibt oft
rätselhaft, ist weder abstrakt noch gegenständlich, weder
konstruktiv noch realistisch. Aus den Oberflächen des Alltags
entleiht er bestenfalls vage Muster, um sie seinen sehr
speziellen Bildwelten einzuverleiben. Bildwelten, die ein
Geheimnis bergen, das sich nicht universal erkennen,
entschlüsseln oder mitteilen lässt. Auch die Bildtitel, die
Libuda bewusst vergibt, helfen hier nicht weiter. In ihnen setzt
sich das Verwirrspiel fort, das zwischen Verstehen und
Nicht-Verstehen, Hinterfragen und Amüsiertsein hin- und her
schwankt.
Walter Libuda betreibt keine Malerei im überkommenen Sinn, Ziel ist nicht die Darstellung, sondern der Prozess des Umwandelns. Wie malt man einen Geruch, ein gelesenes Buch oder ein erlebtes Gespräch? Malerei wird hier zum intermedialen Produkt und der Künstler zum Konverter.
* 1970, London
„Die Worte der anderen trinken“:
„Zeichnungen für Primaten“, bemaltes Naturpapier, 2019
„Entstehungsmythen“, Video , 15min, 2019
„Alternativen zur Kultur“, Video, 13min, 2019
Mit ganz einfachen Mitteln stellt Markus Vater Fragen an die
Erklärbarkeit der Welt, ihren metaphysischen Sinn im Unsinn. Es
verbinden sich Bild und Text, Zeichnung und Zeichen. Poetisch
und humorvoll zeigt Vater die Möglichkeit einer Welt mit anderen
Gesetzen, die dennoch mit der vertrauten Welt irgendwie
zusammenhängt. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit den großen
Fragen der Menschheit, wie jener nach Ursprung und Ende der
menschlichen Zivilisation, sie lassen aber auch Raum für eigene
Assoziationsketten und geben Anregung für neue und unerwartete
Antworten auf existentielle Fragen.
Für Leipzig konzipiert Markus Vater seine Arbeiten für den Zoo: „Die Worte der anderen trinken“ umfasst neben zwei neuen Videoarbeiten, die im Pongoland gezeigt werden, auch einen Stapel von Zeichnungen. Gemeinsam mit dem dort ansässigen Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie ist geplant, dass diese Papierbahnen den Primaten ins Gehege gereicht werden. Interessant ist, dass die Affen diese Zeichnung zwar sehen aber wohl nicht deuten könnten. Der Künstler reflektiert die täglichen Abläufe in der Forschungsstation, deren Aufgabe es ist Verstehensprozesse der Tiere zu rekonstruieren. Dabei greift er Themen wie Wahrnehmung, Zusammenarbeit und Langeweile auf, die für Forscher und Tiere elementar sind.
Auf Monitoren, die normalerweise die Arbeit der Forscher im Max Planck Institut demonstrieren, werden Vaters Videos gezeigt. In Intervallen imitiert eine im Wald stehende Person Tiergeräusche von domestizierten Tieren wie Hund, Schaf, Katze, Kuh und Pferd. Alle Arbeiten verbindet ein besonderer Witz, der aus dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Stufen kultureller Evolution resultiert.
Anna Schimkat (* 1974, Darmstadt), Michael Barthel (* 1977, Ost-Berlin)
„A VOCHEL WO RED“, Installation und Konzert, 2017/2019
Die beiden Klangkünstler, Anna Schimkat und Michael Barthel
arbeiten seit 2016 als Duo zusammen. Schimkat, von der
Bildhauerei kommend, befasst sie sich aus diesem Grund vor allem
mit dem Raum. Dabei spielt für sie der Klang als nicht
entziehbare Wahrnehmung eine fundamental wichtige Rolle, da er
„mit dem Erleben, Empfinden und (Selbst-)Wahrnehmen des Körpers
und seiner Umgebung sowie dem Austausch zwischen den Menschen“
(A. Schimkat) verbunden ist. In ihren Arbeiten hinterfragt sie
den vorgefundenen Raum, entwickelt neue Wahrnehmungsräume und
konzentriert sich auf den darin befindlichen Klang. Ihr Material
ist der gefundene Ton der Dinge, während der umgebende Raum als
Inspiration dient, sich spielerisch forschend damit auseinander
zu setzen.
Michael Barthel, beginnt 1994 sich mit Experimenteller Musik anhand erster eigener Aufnahmen und Veröffentlichungen auf Kassette auseinanderzusetzen. In den folgenden Jahren widmet er sich immer stärker der Lautpoesie und der Lyrik. Seit 2010 ist die Stimme sein ausschließliches Instrument für Konzerte und Tonträger.
Die installative Arbeit „A VOCHEL WO RED“ beschäftigt sich mit der Tradition der Tierstimmenimitation. Sie konzentriert sich beispielhaft auf Vogelstimmen, da diese zur Bestimmung der einzelnen Arten wichtiger in der Tierbeobachtung gehandelt werden, als bei anderen Tieren. Der Wille des Menschen dieses Geflecht zu entschlüsseln und zu kartografieren wird ad absurdum geführt durch den Einsatz einer Texterkennungssoftware, die Klang in Schriftsprache übersetzt. So wurden aus Feldaufnahmen (Truthähne, Hühner, Möwen) Lautgedichte, die auf Schallplatten als Duett gesprochen und auf Sprachblättern geschrieben werden. Bei einer Live Aufführung in der Bibliothek Albertina greifen Barthel und Schimkat das akustische Gewebe der Naturgeräusche auf, versuchen in den sie enthaltenen riesigen Vorrat an Informationen einzudringen und abstrahieren auf ihre Weise mit Geräuschen, Stimmen und Flöten.
* 1972, Berlin
Tilo Schulz: „Dieses Kunstwerk ist verschollen. Ohne Titel“,
Siebdruck, gerahmt, 2010
Tilo Schulz ist Künstler, Autor und Kurator. Häufiges Thema
seiner künstlerischen Arbeiten ist die Beschäftigung mit
Zwischenräumen, Grenzen und Zonen, wobei der Betrachter, d.h.
der Prozess des Verstehens, im Vordergrund steht. Schulz
arbeitet dabei oft mit räumlich realisierten Metaphern, die den
Rezeptionsprozess seiner Arbeiten offenlegen.
In seiner Arbeit „Dieses Kunstwerk ist verschollen. Ohne Titel“ verwickelt er den Betrachter in ein Verwirrspiel zwischen Realität und Fantasie, Wahrheit und Lüge, Objekt und Abbild. Auf den ersten Blick erscheint die Arbeit in naiver Buchstäblichkeit – trocken gibt es Angaben zu einem vermeintlich anderen Kunstwerk preis, in kleinen Lettern, so dass man nah herantreten muss. Doch auf den zweiten Blick wird klar, dass die Arbeit nicht die Platzhalterfunktion hat, die es vorgibt, sondern selbst Kunstwerk ist, seine Stellvertreterrolle nur nach vorn hält, um den Betrachter anzulocken. Und schon beginnt das Spiel. Gleich Magrittes „Ceci n’est pas une pipe.“ hinterfragt Schulz die Beziehungen, die zwischen einem Objekt, seiner Präsenz und seiner Geschichte existieren. Und ist dabei genau dort, wo er hin will: zu den Zwischenräumen des Verstehens, des Bedeutens, des Sagens.
Bibliothek Albertina
D21 Kunstraum
Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie
ROTORBOOKS
Die Bibliothek Leipzig wurde 1543 gegründet und ist die zweitälteste Universitätsbibliothek Deutschlands. Heute wird die Bibliotheca Albertina als geisteswissenschaftliche Zentralbibliothek und Archivbibliothek der Universität Leipzig genutzt. Zu den Beständen gehören ca. 5,5 Millionen Medieneinheiten und rund 6 500 laufende Zeitschriften. Darüber hinaus besitzt die Bibliothek eine Reihe von Sondersammlungen, darunter ca. 10100 Handschriften und eine bedeutende Papyrussammlung.
Bibliothek Albertina
Beethovenstraße 6
04107 Leipzig
www.ub.uni-leipzig.de
Im April 2006 gründete sich der D21 Kunstraum mit dem Ziel ein internationales Ausstellungsprogramm zeitgenössischer Kunst, vor allem aus den Bereichen Neue Medien, Installation und Performance, in Leipzig zu zeigen. Im selben Jahr konnte durch den Einsatz der Gründungsmitglieder ein eigener Ausstellungsraum in Leipzig-Lindenau eröffnet werden. Der D21 Kunstraum versteht sich als Plattform und Experimentierfeld für Künstler/innen und Ausstellungsmacher/innen.
D21 Kunstraum
Demmeringstraße 21
04177 Leipzig
www.d21-leipzig.de
Das Institut erforscht die Geschichte der Menschheit mittels vergleichender Analysen von Genen, Kulturen, kognitiven Fähigkeiten und sozialen Systemen vergangener und gegenwärtiger menschlicher Populationen sowie Gruppen dem Menschen nahe verwandter Primaten. Ein Teil der Forschungseinrichtung ist in den Zoo Leipzig (Pongoland) integriert.
Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie
Pongoland Zoo Leipzig
Kickerlingsberg 20
04155 Leipzig
www.eva.mpg.de
ROTORBOOKS wurde 2018 von Anke Schleper und Daniel Niggemann gemeinsam gegründet. Das Ladenlokal in der Kolonnadenstraße war ursprünglich eine Metzgerei und zuletzt ein russisches Feinkostgeschäft. Das Angebot von Rotorbooks reicht von Theorie über zeitgenössische Philosophie bis zu Kunst, ein Schwerpunkt liegt auf Selfpublishing und Künstler-Publikationen.
ROTORBOOKS
Kolonnadenstraße 5
04109 Leipzig
www.rotorbooks.de
Symposium 20.3.2019
10 Uhr Bibliothek Albertina
Universität Leipzig
Das Symposium zeigt die Beziehungen zwischen künstlerischer
Produktion einerseits und sprachlichem Handeln andererseits auf,
und dies spezifisch anhand des Begriffs des Literalen. Dieser
wird als Oberbegriff für literal arts oder Buchstäblichkeit in
der Kunst einerseits, für literal meaning oder wörtliche
Bedeutung sprachlicher Äußerungen andererseits, verwendet.
Vor dem Hintergrund neuerer Beschreibungsansätze und künstlerischer Positionen werden konvergierende wie differenzierende Eigenschaften einer Literalität in Sprachperformanzen und künstlerischen Prozessen aufgespürt.
Darüber hinaus wird ein direkter Dialog zwischen Sprache und Bildern initiiert, indem künstlerische Arbeiten in die Struktur des Symposiums eingebaut werden. Vorträge und Kunstwerke dienen gleichwertig nebeneinander als Ausgangspunkt einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Literalen.
Elmar Hermann: abcdefghijklmnop qrstuvwxyz
Christine Domke: Text/Bild. Zur Gestalt(ung) von
Kommunikation im öffentlichen Raum
Phillip Schulze: Literal Sound. Minimalism and Experiments in
Music Composition.
Claudia & Isabelle Barth: Eu nao falo portugues
Olaf Jäkel: Metapher und Wörtlichkeit
Anna Schimkat & Michael Barthel: A VOCHEL WO RED
Frank Liedtke: Bildlichkeit und Implikaturen
Constanze Müller: "Ausstellungseröffnung"
Die kurze Einführung fokussiert das Zusammenspiel künstlerischer und wissenschaftlicher Beiträge im Bereich des Literalen. Elmar Hermann ist Bildender Künstler und Sprachwissenschaftler und hat das Symposium gemeinsam mit Frank Liedtke (Universität Leipzig) und Constanze Müller (Kunstraum D21) organisiert.
Im Zentrum des Vortrags steht die exemplarische Untersuchung des Zusammenspiels von konkreter Textgestalt, Funktionalität und ästhetischer Ausdifferenzierung der Vielzahl öffentlich wahrnehmbarer Texte. Auf der Basis eines Korpus aus gut 5.500 Fotos von großstädtischen Betextungen wird zunächst herausgearbeitet, welche Diskurse (wie der infrastrukturellem, der kommerzielle u.a.) und welche Kommunikationsformen (wie das klassische Plakat, die digitale Anzeigetafel, der QR-Code u.a.) in der urbanen Betextung wahrnehmbar werden. Im Anschluss wird exemplarisch untersucht, welche Gestalt(ung) von Texten wir gegenwärtig beobachten können, wenn wir im Alltag durch Städte gehen, eilen, pendeln, spazieren. Im Fokus steht dabei auch die Frage, ob und welche Relationen zwischen der konkreten typographischen Gestaltung und pragmatischen Nützlichkeit deutlich werden.
Christine Domke ist Professorin für Theorie und Praxis sozialer Kommunikation an der Hochschule Fulda.
In seinem Vortrag wird Phillip Schulze eine Einführung in die Amerikanische Minimal und Experimentelle Musik geben, mit besonderem Fokus auf dem Komponisten Alvin Lucier (*1931) und seiner Komposition „I am sitting in a room“ aus dem Jahre 1969. Dieses Stück ist ein Meilenstein und Evergreen der elektronischen Komposition, und ein frühes Beispiel der prozessorientierten und ortsspezifischen Musik, und ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich: Hier findet eine Verbindung und Übersetzung von Text (der zugleich Libretto, Notation und Ausführungsanweisung ist), Klang, Technik und Naturphänomenen (insbesondere akustische Resonanzen) statt, und dies mit scheinbar simpelsten Mitteln. „I am sitting in a room“ ist eine sich auf vielen Ebenen komplex auffächernde Komposition, basierend auf einer simplen zugrundeliegenden, selbstreflektierenden Struktur.
Phillip Schulze ist Komponist und Medienkünstler und hat in den 2000er Jahren an der Wesleyan University, USA bei Alvin Lucier, Anthony Braxton und Ron Kuivila Komposition studiert.
Claudia Barth (Bildende Kunst) und Isabelle Barth (Schauspiel) arbeiten immer wieder an interdisziplinären Projekten zusammen. In der Performance fanden sie eine gemeinsame Disziplin und mit der Geschichte ihrer Großmutter einen gemeinsamen Inhalt. Seit 2017 sind sie auf den Spuren dieser Geschichte(n) unterwegs. Die Recherchen brachten die beiden Schwestern im Sommer 2018 für einen Monat nach Brasilien, wo sie die Musikerin Dandara kennen lernten, mit der sie in einen künstlerischen Austausch traten und eine Performance entwickelten.
„Eu nao falo portugues“ ist ein performatives Reading, das anlässlich der Tagung in der Albertina stattfindet. Zwei Performerinnen, Claudia Barth und Dandara Modesto, lesen ein imaginäres Skript für ein Roadmovie.
Dafür stöbern sie in staatlichen und privaten Archiven und entdecken im Verlauf ihrer persönlichen Rekonstruktion unterschiedliche Erzählperspektiven. Hinzu kommen sprachliche Differenzen, die Lücken und Missverständnisse, die sich dadurch ergeben und die Darstellung maßgeblich beeinflussen.
Nach der aktuell wahrscheinlich wirkmächtigsten kognitiven Metapherntheorie (Lakoff & Johnson 1980) ist unsere ganz normale Alltagssprache stärker metaphorisch, als vormals oder auch von anderen Ansätzen der Metapherntheorie angenommen. Im Vortrag wird ein Klärungsversuch folgender Frage unternommen: Wie ist aus systemlinguistischer Sicht das Begriffspaar metaphorisch versus wörtlich sinnvoll zu verstehen und analytisch zu verwenden? Beleuchtet werden soll zudem, wie es sich mit metapherntheoretischen Zuschreibungen wie konventionelle, kreative, poetische, gezielte oder tote Metapher verhält. Dem interdisziplinären Rahmen angemessen, können hierzu außer Sprachbeispielen auch Erscheinungsformen von Metaphorizität aus anderen Modalitäten herangezogen werden, insbesondere natürlich Bildlichkeit.
Olaf Jäkel ist Professor für Anglistische Sprachwissenschaft und ihre Didaktik am Institut für Sprache, Literatur und Medien der Europa Universität Flensburg.
"A VOCHEL WO RED" ist eine Aufführung, die sich mit der Tradition der Tierstimmenimitation beschäftigt. Die Arbeit konzentriert sich beispielhaft auf Vogelstimmen, da diese zur Bestimmung der einzelnen Arten wichtiger in der Tierbeobachtung gehandelt werden, als bei anderen Tieren. Der Wille des Menschen dieses Geflecht zu entschlüsseln und zu kartografieren wird ad absurdum geführt durch den Einsatz einer Texterkennungssoftware, die Klang in Schriftsprache übersetzt. So wurden aus Feldaufnahmen (Truthähne, Hühner, Möwen) Lautgedichte, die auf Schallplatten als Duett gesprochen und auf Sprachblättern geschrieben werden. Barthel und Schimkat greifen das akustische Gewebe der Naturgeräusche auf, versuchen in den sie enthaltenen riesigen Vorrat an Informationen einzudringen und abstrahieren auf ihre eigene Weise mit Geräuschen, Stimmen und Flöten. Bei der Aufführung der Arbeit in der Bibliothek Albertina werden die Lautgedichte in einem speziell arrangierten Setup vorgetragen.
Anna Schimkat und Michael Barthel arbeiten seit 2016 gemeinsam als Klangkunstduo.
Was eine wörtlich gemeinte Äußerung ist, scheint unmittelbar einleuchtend zu sein: Sie bedeutet genau das, was die geäußerten Worte bedeuten, sie ist nicht ironisch oder bildhaft gemeint. Wie kommt es dann aber, dass die meisten LeserInnen folgenden Satz für falsch halten: ‚Einige Giraffen haben einen langen Hals.‘ Wörtlich verstanden ist dieser Satz zutreffend, denn wenn alleGiraffen einen langen Hals haben, dann auch einige. Dass er trotzdem als unzutreffend beurteilt wird, liegt daran, dass eine wörtlich gemeinte Äußerung über die Bedeutung der einzelnen Worte entscheidend hinausgeht. Dieses Darüberhinausgehende wird als Implikatur bezeichnet; sie führt in diesem Fall dazu, dass wir die Lesart ‚Nicht alle Giraffen haben einen langen Hals‘ mitverstehen. Wörtlichkeit beinhaltet somit auch Implikaturen unterschiedlichen Typs. Kann man einen vergleichbaren Schlussprozess im Sinne von Implikaturen auch für bildhafte Wahrnehmung annehmen, und falls ja, wie ließe sich dieser ausbuchstabieren?
Frank Liedtke ist Professor für Germanistische Linguistik/Pragmatik am Institut für Germanistik der Universität Leipzig.
Das Symposium schließt mit dem Beitrag „Ausstellungseröffnung“ im D21 Kunstraum und eröffnet gleichzeitig die zum Projekt gehörige Ausstellung. Der Beitrag beschäftigt sich mit dem kuratorischen Hintergrund der Ausstellung und stellt die beteiligten Künstler_innen vor. Constanze Müller ist Kunstvermittlerin und Vorstandsmitglied des D21. Sie hat gemeinsam mit Elmar Hermann die Ausstellung „buchstäblich“ kuratiert.